So viel Wolf steckt im Hund

So viel Wolf steckt im Hund: Eine Frage, die den Menschen schon ziemlich lange beschäftigt und Basis zahlreicher Mythen und Ideen ist. Neuere Forschungen beleuchten die Ursprünge von Hunden und ihre Verbindung zu Wölfen durch einen gemeinsamen Vorfahren. In der Welt des Hundetrainings tauchen immer wieder Diskussionen auf, ob das Wissen über Wölfe relevant für unseren Umgang mit den Hunden sei. Doch welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Hunden und Wölfen sind wirklich bekannt und wie beeinflusst dieses Wissen das Training und das Zusammenleben von Menschen und Hunden?

Für den Vergleich von Wölfen und Hunden gibt es mittlerweile zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen. Dazu muss hervorgehoben werden, dass zwischen verschiedenen Lebensarten von Hunden unterschieden wird, also ob sie freilebend sind oder beim Menschen leben. Die Mehrheit der Untersuchungen, die Wölfe und Hunde vergleichen, bezieht sich aktuell primär auf freilebende Hunde. Alle festgestellten Unterschiede sind das Ergebnis genetischer Entwicklungen und aktueller Lebensumstände, denen die Tiere ausgesetzt sind. Das bedeutet, dass die spezifischen Umstände der beobachteten Hunde und Wölfe – einschließlich ihres Alters, Geschlechts und individuellen Erfahrungen – stets in Betracht gezogen werden sollten, wenn die Ergebnisse interpretiert werden.

Sozialverhalten

Studien haben gezeigt, dass Hunde in Anwesenheit von Menschen ein deutlich höheres Wohlbefinden aufweisen. Im Gegensatz dazu müssen Wölfe von Geburt an sehr spezifisch an den Menschen gewöhnt werden, um eine gewisse Akzeptanz zu entwickeln. Folgende Unterschiede konnten bisher festgestellt werden:

  • Vertrauensbildung: Bei Wölfen ist der Aufbau vertrauensvoller Bindungen auf bestimmte Personen beschränkt, im Gegensatz zu Hunden, die sich schneller an fremde Menschen gewöhnen können.
  • Aggressionsverhalten gegenüber Menschen: Nicht sozialisierte erwachsene Wölfe zeigen tendenziell Angst oder Aggression gegenüber Menschen. Dies ist für sie von Vorteil, da sie beinahe vom Menschen ausgerottet wurden. Freilebende Hunde verteidigen zwar ihren Lebensraum, jedoch mit deutlich geringerer Intensität als Wölfe.
  • Bindungsverhalten: Vergleichsstudien zwischen Hunden und Wölfen zeigen, dass beide Arten in der Lage sind, enge Bindungen zu Menschen zu entwickeln.
  • Kleine Unterschiede bestehen, wie etwa das unterschiedliche Begrüßungsverhalten und die Tendenz von Hunden, eher Kontakt zu Menschen zu suchen, auch wenn sie dabei Stresssignale zeigen.

Es ist wichtig zu betonen, dass die Schlussfolgerungen von den jeweiligen Umständen abhängen und die Unterschiede manchmal geringer und manchmal stärker ausgeprägt sind [1].

Anatomische Unterschiede

So viel Wolf steckt im Hund

Der Canis lupus (Wolf) und der Canis familiaris (Hund) weisen deutlich unterscheidbare anatomische Merkmale auf. Wölfe, als insgesamt eher große Carnivoren, können in ihrer Größe variieren, wobei beispielsweise arabische Wölfe deutlich kleiner sind als Mackenzie Wölfe. Mit ihren langen Beinen und großen Pfoten können sich Wölfe unabhängig von Jahreszeit und Wetter schnell fortbewegen. Ihr Fell ist an diverse Wetterbedingungen angepasst. In der Wildnis leben Wölfe etwa fünf bis acht Jahre, wobei sie ab dem zweiten Lebensjahr mit der Fortpflanzung beginnen und die weiblichen Tiere etwa einmal im Jahr fünf bis sechs Welpen werfen. Ihr Geruchssinn und ihre gute Sehkraft sind unglaublich gut ausgeprägt.

Jagdverhalten

So viel Wolf steckt im Hund

Hunde leben im Wirkungsbereich des Menschen, entweder in Kooperation als Familien- oder Arbeitshunde oder freilebend als Müllverwerter. Sie sind tendenziell eher Einzelgänger und leben in losen Gruppen. Wölfe hingegen leben im Familienverband, da sie die Stärke der Gruppe für die gemeinsame Jagd brauchen.

Wölfe jagen in Gruppen. Die Gruppengröße beeinflusst den Jagderfolg und die Verteidigung des Reviers. Erfolgsquoten bei der Jagd liegen zwischen 10-50%. Die Nahrungsbeschaffung ist in der Wildnis nur bedingt planbar, aber bei Erfolg meistens von hoher Qualität. Junge Wölfe sind auf die Nahrungsbeschaffung durch andere angewiesen.

Hunde haben oft zuverlässigen Zugang zu Nahrungsressourcen und neigen dazu, alleine zu jagen. Freilebende Hunde orientieren sich stark an der menschlich dominierten Umwelt und ernähren sich von Nahrungsabfällen. Die großen Unterschiede in der Nahrungsbeschaffung könnten die Unterschiede in Ausdauer, Risikobereitschaft und Kooperationsbereitschaft zwischen Hunden und Wölfen erklären [1].

Sozialstruktur

Wölfe leben in stabilen Familienverbänden, geleitet von einem Elternpaar, das sich einmal jährlich im späten Winter paart. Der Nachwuchs trennt sich normalerweise im Alter zwischen 1-3 Jahren von der Familie. Dabeben konnten auch weitere Kombinationen beobachtet werden, wie beispielsweise die Aufnahme von Geschwistern des Elternpaars. Einige Wolfsfamilien nehmen auch nicht verwandte Tiere auf, dies tritt aber eher selten auf. Die durchschnittliche Rudelgröße besteht aus 6-8 Individuen, und alle Mitglieder beteiligen sich normalerweise an der Aufzucht des Nachwuchses, indem sie Höhlen graben, sich auf Nahrungssuche für die Mutter begeben, sowie die Jungen verteidigen.

Im Gegensatz dazu variieren die Ergebnisse bezüglich freilebender Hunde. Einige Studien deuten auf die Bildung stabiler sozialer Gruppen hin, während andere darauf hinweisen, dass Hunde oft allein oder in fluktuierenden Gruppen leben. Diese Unterschiede könnten von der Verfügbarkeit von Ressourcen und dem menschlichen Einfluss abhängen.

Die Versorgung des Nachwuchses bei freilebenden Hunden zeigt ebenfalls Variationen. Manchmal kümmern sich Mütter allein um ihre Welpen, während in anderen Fällen auch weitere Gruppenmitglieder involviert sind. Im Gegensatz zu Wölfen ist die Beteiligung von Rüden an der Kinderpflege bei Hunden oft von spezifischen Faktoren abhängig und eher selten [1].

Wölfe und Hundetraining – passt das zusammen?

Das Wissen über Wölfe ist nicht zwangsläufig entscheidend für das Hundetraining – aus mehreren Gründen. Erstens haben sich Hunde über viele Generationen hinweg durch gezielte Zucht und Domestizierung zu einer einzigartigen Spezies entwickelt. Ihre Anpassung an das Leben mit Menschen hat dazu geführt, dass sie in vielen Aspekten von Wölfen abweichen, sei es in Bezug auf ihre sozialen Strukturen, Verhaltensweisen oder Bedürfnisse.

Zweitens basiert das moderne Hundetraining auf fundierten wissenschaftlichen Erkenntnissen über Lerntheorien und Verhaltenswissenschaften. Diese Fortschritte ermöglichen es uns, effektive Trainingsmethoden zu entwickeln, die auf positiver Verstärkung und der Berückksichtgung der Bedürfnisse unserer Hunde beruhen, anstatt auf veralteten Konzepten wie Dominanz und Rangordnung. Das Verständnis der individuellen Bedürfnisse und Persönlichkeiten von Hunden steht dabei im Vordergrund.

Drittens neigen Theorien, die sich auf das Verhalten von Wölfen stützen oft dazu, den Mythos einer „Rudelhierarchie“ zu fördern, in der der Mensch die Rolle des „dominanten Alphas“ einnehmen sollte. Diese Vorstellung ist aber problematisch und lange überholt, da sie oft zu missverstandenem Hundetraining führt, das auf Bestrafung und Einschüchterung basiert, anstatt auf einem positiven, respektvollen Umgang.

Im Fokus des modernen Hundetrainings steht vielmehr die individuelle Beziehung zwischen Mensch und Hund, bei der Vertrauen, Kommunikation und positive Interaktionen im Vordergrund stehen. Das Verhalten von Wölfen kann daher als interessantes wissenschaftliches Studienfeld betrachtet werden, ist jedoch nicht wirklich notwendig, um effektives Hundetraining zu gestalten und eine harmonische Beziehung zwischen Mensch und Hund zu fördern.

Quellen

[1] Range, F., & Marshall-Pescini, S. (2022). Wolves and Dogs: Between Myth and Science. Springer Nature.
[2] Kaminski, J., Waller, B. M., Diogo, R., Hartstone-Rose, A., & Burrows, A. M. (2019). Evolution of facial muscle anatomy in dogs. Proceedings of the National Academy of Sciences, 116(29), 14677-14681.
[3] Garamszegi, L. Z., Kubinyi, E., Czeibert, K., Nagy, G., Csörgő, T., & Kolm, N. (2023). Evolution of relative brain size in dogs—no effects of selection for breed function, litter size, or longevity. Evolution, 77(7), 1591-1606.

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