Wollen wir Hunden etwas beibringen oder ein Verhalten verändern, müssen wir wissen, wie Hunde lernen. Dieser Artikel erklärt dir kurz, was du über das Lernverhalten von Hunden wissen musst und worauf du im Training achten solltest. Das folgende präsentierte Wissen ist keine Erfindung von mir, sondern wurde in mehreren wissenschaftlichen Disziplinen unabhängig voneinander bestätigt. Es handelt sich um Konsens. Wer behauptet, sein Training funktioniere nicht nach diesen Regeln, hat sich nicht mit der Materie beschäftigt.
Klassische Konditionierung
Erinnerst du dich daran, wie der Apfelkuchen aus deiner Kindheit gerochen hat, der extra gebacken wurde, weil du zu Besuch gekommen bist? Ja? Dieses Phänomen nennt man in der Fachsprache klassische Konditionierung. Ein Reiz (Kuchen) wird mit einer Reaktion (wohliges Gefühl) verknüpft. Allein der Duft genügt aus, um das Gefühl zu erzeugen. Oder ein Reiz (Besuch bei den Großeltern) wird mit einem anderen Reiz (Kuchen) verknüpft. Der Besuch bei den Großeltern erzeugt Vorfreude, bevor wir überhaupt dort angekommen sind, weil wir Kuchen erwarten. Diese Verknüpfungen passieren unwillkürlich und ständig. Das bedeutet, dass du nicht steuern kannst, ob eine Verknüpfung entsteht oder nicht. Du kannst auch nicht steuern, wann eine Verknüpfung entsteht. Daher heißt es: „Pawlov sitzt immer auf deiner Schulter.“ Pawlov ist der Entdecker der klassischen Konditionierung. Der Satz soll ausdrücken, dass immer und überall Verknüpfungen (sowohl attraktive als auch aversive) entstehen können. [1]
Jetzt hast du vielleicht schon gehört oder gelesen, dass eine Hundeschule damit wirbt, ohne Konditionierung zu arbeiten. Um es ganz deutlich zu sagen: Es gibt kein Lernen ohne Konditionierung! Ohne Konditionierung zu arbeiten ist eine Marketingstrategie, die darauf abzielt, unwissende Hundehalter*innen zu erreichen. Diese Hundeschulen arbeiten in der Regel mit sehr viel Zwang, Druck und Gewalt. Aber auch das ist Konditionierung. Ob wir wollen oder nicht. Auch wenn behauptet wird, ohne Konditionierung zu arbeiten, sitzt Pawlov immer auf deiner Schulter.
So lernen Hunde
Operante Konditionierung
Jetzt lernen Hunde ja nicht nur passiv, sondern auch aktiv. Das geschieht durch Verstärkung und Bestrafung. Wichtig ist, dass Verstärkung und Bestrafung ganz oft aus der Umwelt kommt und nicht durch uns. Die Umwelt kann belohnend oder bestrafend auf den Hund wirken. Wird ein Verhalten z. B. mehr, ist ein Verstärker aktiv. Wird Verhalten weniger, ist eine Strafe aktiv. Jetzt könnten wir daraus schließen, dass wir Verhalten belohnen, das wir mehr möchten und Verhalten bestrafen, das wir nicht möchten. So einfach ist es leider nicht. Denn Verstärkung und Strafe verursachen immer auch Emotionen. Diese Emotionen werden durch die klassische Konditionierung mit der Umwelt und der Situation verknüpft. Denn: Pawlov sitzt immer auf unserer Schulter! [2][3]
Wenn Hunde durch Verstärkung oder Bestrafung lernen, nennt man das in der Fachsprache operante Konditionierung. Dabei gibt es vier Quadranten. Das System funktioniert folgendermaßen:
- Es gibt eine Situation vor dem Verhalten. Das nennt man in der Fachtsprache Antezedent.
- Es gibt das Verhalten, das durch die Situation ausgelöst wird.
- Es gibt einen Verstärker oder eine Strafe.
- Dies kann wieder als Antezedent für neues Verhalten dienen.
- Verhalten, das durch Verstärker oder Strafe ausgelöst wird.
- Es gibt einen Verstärker oder eine Strafe.
Positive Verstärkung beschreibt den für uns wichtigsten Verstärker. Es wird etwas Angenehmes für den Hund hinzugefügt. Dabei wird die Emotion Freude erzeugt. Die Arbeit über positive Verstärkung macht dem Hund also besonders viel Spaß.
Negative Verstärkung beschreibt einen Verstärker, der nur sehr bedacht eingesetzt werden sollte. Als Verstärker für das Verhalten wird etwas für den Hund Unangenehmes entfernt. Wenn Hunde bellen, ist das in der Regel der Hund, der verschwindet. Der Hund empfindet dabei Erleichterung. Allerdings fühlt er sich davor nicht gut.
Positive Strafe ist aversiv. Für das Verhalten wird etwas Unangenehmes hinzugefügt. Der Hund empfindet dabei Angst oder sogar Schmerzen. Angst und Schmerz sind keine sonderlich guten Trainingsbegleiter und sollten daher vermieden werden.
Negative Strafe beschreibt den Entzug von Etwas, das der Hund angenehm findet. Z. B. unsere Aufmerksamkeit durch Ignorieren. Dabei entsteht Frustration oder sogar Traurigkeit. Diese Emotionen können sehr unschöne Nebeneffekte haben und sollten daher nicht unüberlegt erzeugt werden.
Do as I Do
Hunde lernen auch durch Nachahmung. Wer einen Mehrhundehaushalt hat, weiß, dass die Hunde voneinander vor allem Quatsch abgucken. Wir können Do as I Do aber auch fürs Training und den Alltag nutzen. So können unsere Hunde zum Beispiel lernen, dort lang zu gehen, wo wir lang gehen. Oder etwas zu umrunden, das wir vorher umrundet haben. Lernen durch Nachahmung macht Spaß und fördert die Bindung. Daher gibt es einen ganzen Wissenschaftszweig, der sich ausschließlich mit dieser Lernform beschäftigt. [4][5]
Habituation
Gewöhnung ist das, was wir uns von unseren Hunden am sehnlichsten Wünschen. Wir wünschen uns, dass der problematische Reiz irgendwann an Bedeutung verliert und der Hund ihn nicht mehr als problematisch einstuft. So funktioniert allerdings Gewöhnung nicht. Gewöhnung bedeutet, dass ein neutraler Reiz als bedeutungslos eingestuft wird. Problematische Reize haben bereits eine Sensibilisierung erfahren und der Hund hat bereits gelernt, dass die Reize eine Bedeutung haben. Daher ist die Methode Habituation vor allem bei Welpen sinnvoll. Allerdings kann jeder Reiz, an den sich ein Hund gewöhnt hat, trotzdem irgendwann an Bedeutung gewinnen. Hat der Welpe zum Beispiel Gewitter und Feuerwerk als Bedeutungslos eingestuft, kann es trotzdem jeder Zeit passieren, dass er ein Problem damit entwickelt.
Damit Habituation stattfinden kann, muss das Setting stimmen. Im Idealfall beschäftigt sich der Hund in Gegenwart des neutralen Reizes mit Dingen, die ihm Freude bereiten. Der neutrale Reiz rutscht dadurch in den Hintergrund und verliert an Bedeutung. Einen Hund einfach allen möglichen Reizen auszusetzen, stellt keine Gewöhnung dar! Denn Gewöhnung passiert nunmal nicht einfach so. Nur, wenn die Bedingungen stimmen. [6]
Desensibilisierung und Sensibilisierung
Ein Reiz kann immer an Bedeutung gewinnen oder Bedeutung verlieren. Die Sensibilisierung, also das Gewinnen an Bedeutung, kann jeder Zeit passieren, wenn ein Reiz mit besonderer Intensität auftritt. Dazu kann ein einziges Ereignis genügen. Für die Desensibilisierung braucht es viele viele Wiederholungen und viel Training. Desensibilisierung ist hoch anspurchsvoll in der Umsetzung und braucht daher unbedingt professionelle Anleitung. Der Reiz wird dabei immer so präsentiert, dass der Hund ihn wahrnimmt, dass der Reiz für ihn aber noch bewältigbar ist. So verliert der Reiz nach und nach an Bedeutung. Wird der Reiz jedoch zu stark präsentiert, kann es jeder Zeit wieder zu einer Sensibilisierung kommen. Daher wird Desensibilisierung beim Menschen nur noch selten eingesetzt. [7]
Wie soll mein Hund lernen, dass er es nicht darf?
Es funktionieren alle dieser vier Quadranten, WENN sie richtig eingesetzt werden. Was ein Verstärker oder eine Strafe ist, entscheidet der Hund. Wird das Verhalten nicht mehr oder weniger, ist es kein Verstärker und keine Strafe oder es wurde falsch angewendet. Wir neigen dazu, bei unserem Hund das zu sehen, was er falsch macht und was er nicht tun soll. Und wir wollen wissen, wie wir das beenden können. Dazu solltest du allerdings einige wichtige Punkte wissen:
- Wenn du ein Verhalten unterbrichst, hat der Hund das Verhalten trotzdem ausgeführt und gelernt.
- Korrektur ist auch Strafe, auch wenn Korrektur netter klingt.
- VOR jedem unerwünschten Verhalten passiert ein erwünschtes Verhalten. Verstärke dieses.
- Jedes gut aufgebaute, über positive Verstärkung gewonnene Signal, funktioniert als Abbruchsignal.
- Angst, Schmerz und Frustration können Nebenwirkungen wie Aggressionsverhalten oder Hyperaktivität bewirken. [8]
- Positive Verstärkung verbessert das Orientierungsverhalten und die Bindung
- Sicherheit und Angst schließen sich gegenseitig aus.
Fazit: so lernen Hunde
Lernverhalten ist immer eine bunte Mischung. Wir können die klassiche Konditionierung nicht ohne die operante Konditionierung sehen und umgekehrt. In unserem Alltag erlebt unser Hund durch die Umwelt ständig Strafe und Unwohlsein. Wir Menschen sollten für unseren Hund Sicherheit bedeuten. Das tun wir nicht, wenn wir mit Angst und Frustration Dinge beibringen. Jedes Ziel kann durch positive Verstärkung erreicht werden. Hat der Hund ein Problem, braucht er Hilfe. Einfach hoffen, dass das Problem irgendwann an Bedeutung verliert, funktioniert leider nicht. Dafür braucht es einen sehr gut strukturierten Trainingsplan.
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Quellen
[1] Bodenmann, G. und Schaer, M.: Klassische Konditionierung. 2006.
[2] Bodenmann, G. und Schaer, M.: Operante Konditionierung. 2006.
[3] Panksepp, Jaak: Affective consciousness: Core emotional feelings in animals and humans. 2005.
[4] Huber, Ludwig et al.: The evolution of imitation: what do the capacities of non-human animals tell us about the mechanisms of imitation? 2009.
[5] Miklósi, Ádám: Dog behaviour, evolution and cognition. 2015.
[6] Rankin, Catharine H. et al.: Habituation revisited: An updated and revised description of the behavioral characteristics of habituation. 2009.
[7] Maerker, Andreas und Weike, Almut: Systematische Desensibilisierung. 2018.
[8] Ziv, Gal: The effects of using aversive training methods in dogs—A review. 2017.
An sich schön erklärt, wenn auch leider ideologisch durchfärbt.
Korrekt: Führt ein Reiz zur Abnahme der Verhaltenshäufigkeit, handelt es sich um eine Strafe.
Korrekt: Positive Strafe bezeichnet das hinzufügen eines unangenehmen Reizes
Falsch: Positive Strafe bedeutet immer Angst oder Schmerz
Nur, weil jemandem etwas missfällt, ist das Resultat noch lange nicht Angst oder Schmerz. Ein aversive Reiz *kann* sich als Schmerz oder Angst darstellen, muss das aber noch lange nicht. An der Stelle ist es dann hilfreich von seinem Ross herunter zu steigen und auf den Hund zu schauen. Der ist nämlich durchaus in der Lage zu kommunizieren was er gerade empfindet, und zwar individuell. Das kann auch einfach nur Zurücknahme und aktive oder passive Demut sein. Ein aversiver Reiz, der bei einem Hund zu Schmerz und Angst führt ist zu stark gewählt – kann bei einem anderen aber genau richtig sein.
Hallo Tim. Danke für deienen Kommentar. Leider hast du unrecht.
Angst und Schmerz stellen ein Spektrum dar. Wenn dein Hund mit Zurückweichen reagiert, ist der Reiz für ihn so stark, dass es etwas bei ihm bewirkt. Das ist nicht einfach Kommunikation. Im Übrigen möchte ich darauf hinweisen, dass aktive und passive Demut beide ebenfalls mit Angst assoziiert sind. Das ist wissenschaftlicher Konsens der AKTUELLEN Literatur. Nur weil dein Hund den Schwanz nicht einzieht, bedeutet das nicht, dass die zu Grunde liegende Emotion nicht Angst ist. Das kann gemessen und nachgewiesen werden. Ansonsten empfehle ich dir gerne die Literatur von Jaak Panksepp zu lesen. Da wird das ganz wundervoll erklärt.
Die Darstellung des Lernverhaltens ist nicht ideologisch geprägt, sondern auf dem Stand der aktuellen Wissenschaft. Nur weil du dir nicht eingestehen möchtest, dass Angst eine zu Grunde liegende Emotion sein kann, heißt das nicht, dass sie nicht da ist. Wir können uns die Welt nicht einfach so machen, wie sie uns gefällt.
Liebe Grüße,
Samaria